Psychoonkologie: psychologische Hilfe bei Krebs

Krebs macht auch die Seele krank

Krebspatienten leiden nicht nur an ihren körperlichen Symptomen, sie landen oft auch auf einer Achterbahn der Gefühle. Die Psychoonkologin Claudia Matter erzählt, welche Ziele sie mit Betroffenen angeht und wieso sie auch Angehörige betreut.

Angst, Überforderung, Müdigkeit oder Aggressivität: Eine Krebserkrankung bringt häufig eine geballte Ladung an Gefühlen mit sich – zusätzlich zum körperlichen Leiden. Welche Auswirkungen hat das auf die Psyche eines Menschen? Wie gestaltet man einen Umgang mit der Krebserkrankung, und welche Auswirkungen hat das auf die Lebensqualität? Die Psychoonkologie hat zum Ziel, solche Fragen zu beantworten.

Psychoonkologie bezieht auch Angehörige mit ein

Am KSB sind dafür Claudia Matter und ihren beiden Kolleginnen zuständig. Die Psychoonkologinnen betreuen sowohl stationäre als auch ambulante Patienten. «Bei stationären führen wir im Schnitt zwei Gespräche, bei ambulanten können es auch vier sein», erklärt sie. Viel Einfühlungsvermögen ist nötig, wenn es einem Patienten von einem Tag auf den anderen plötzlich schlechter geht. «Das betrifft auch die Angehörigen, die wir mitbetreuen. Deshalb bieten wir auch ihnen Gespräche an.»

Die Sitzungen an sich sind nicht planbar. Daher gilt es, flexibel zu sein. Der Fokus liegt immer auf der körperlichen und psychischen Entwicklung seit der letzten Sitzung. Ausgehend davon entwickelt sich das Gespräch. Die Behandlung durch Claudia Matter und ihre Kolleginnen reicht von einzelnen Beratungsgesprächen bis hin zu einer intensiven psychotherapeutischen Begleitung. Immer mit dem Ziel, die Lebensqualität der Betroffenen und ihrer Liebsten möglichst hoch zu halten.

Der Weg zur Psychoonkologin

Claudia Matter hat einen langen Weg zur Psychoonkologin hinter sich: Im Erstberuf arbeitete sie als Pflegefachfrau zehn Jahre im Unispital Zürich, unter anderem auf der Palliativ-Abteilung. Dann entschied sie sich für ein Studium. Nach dem fünfjährigen Psychologiestudium absolvierte sie eine ebenso lange Ausbildung zur Psychotherapeutin. «Darauf suchte ich eine Möglichkeit, die beiden Berufe zu verbinden», erzählt sie. Es folgte eine zweijährige interprofessionelle Weiterbildung in Psychoonkologie der Krebsliga Schweiz. Dabei wird man speziell für die Therapie von Krebspatienten ausgebildet. «Seit 2018 bin ich nun bei den Psychiatrischen Diensten Aargau (PDAG) als Psychoonkologin angestellt und arbeite am KSB», sagt Claudia Matter. Die langjährige Erfahrung in Klinischer Psychologie, Psychotherapie und Psychoonkologie ermöglicht es ihr und ihrem Team, die Patienten bei der Bewältigung ihrer Krebserkrankung umfassend zu unterstützen.

Psychoonkologie bei Brustkrebs

 2017 nahmen 316 Patienten die psychoonkologischen Angebote in Anspruch. 72 von ihnen hatten in diesem Jahr die Diagnose Brustkrebs erhalten. Bei Brustkrebspatientinnen besteht ein enger Austausch mit der Gynäkologie: In Zusammenarbeit mit den speziell ausgebildeten Pflegefachfrauen BCCN (Breast and Cancer Care Nurses) wird ein Erstkontakt mit den stationär angemeldeten Frauen hergestellt. Bei dieser Gelegenheit sprechen sie ausführlich über ihre Gefühlslage und ihre Wünsche an die Psychotherapie. «Sie wollen ihre Angehörigen oftmals nicht zusätzlich belasten, also sind wir für sie die neutrale Instanz», sagt Matter. Nicht immer braucht es ein zweites Gespräch. Die Länge der Behandlung bestimmen Therapeutinnen und Betroffene gemeinsam. Vielfach werden stationäre Patienten zu ambulanten. Denn Claudia Matter und ihr Team bieten auch an, die Gespräche nach der körperlichen Genesung fortzuführen, damit kein Therapeutenwechsel nötig ist.

«Was gibt es Schöneres, als zu sehen, dass man mit seiner Arbeit etwas bewirken kann?»
Claudia Matter, Psychoonkologin

Weinen und lachen trotz Krebserkrankung

Claudia Matter und ihre Kolleginnen legen hohen Wert darauf, besonders schwierige Patientensituationen im Team zu besprechen. «Wir tauschen uns aus und unterstützen uns gegenseitig. So können wir mit der Belastung besser umgehen.» Um den Kopf frei zu kriegen, hilft ihr auch Bewegung: «Deshalb gehe ich oft schwimmen und mache viel Sport.» Gerade bei Langzeitpatienten sei es oft nicht einfach, die emotionale Distanz zu wahren. «Es ist schwierig, dabei zuzusehen, wie sich die Gesundheit verschlechtert. Es gibt schon Momente, wo ich mich für einige Minuten zurückziehe», erzählt Matter. Sie betont jedoch, dass der Beruf belastender klingt, als er ist: «Wir lachen auch viel mit den Patienten.»

Verbesserung der Lebensqualität

Auch wenn ihr Job sie ab und an belastet und sie manchmal das Gefühl hat, nicht genug ausrichten zu können – die Patienten nehmen es anders wahr. «Ich erinnere mich an eine Patientin, die mich nach dem Umzug der Psychoonkologie in den Kubus mit einem Kuchen zur Einweihung besucht hat», sagt Claudia Matter. Die Frau habe voller Freude erzählt, dass das Backen seit langem einer ihrer schönsten Momente gewesen sei, weil sie dafür lange keine Kraft hatte. Matter: «Was gibt es Schöneres, als zu sehen, dass man mit seiner Arbeit etwas bewirken kann?»

Interdisziplinäres Brustzentrum am KSB

Das interdisziplinäre Brustzentrum am KSB bietet viele therapeutische Behandlungen an – von der Selbsthilfegruppe über Physiotherapie bis zum psychoonkologischen Dienst. Betroffene können das Angebot ambulant oder stationär nutzen. Die Grundversicherung der Krankenkasse übernimmt die Kosten.

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