Martin Heubner, Chefarzt der Gynäkologie am KSB

«Viele Myom-Diagnosen sind Zufallsbefunde»

Jede dritte Frau über 35 hat ein Myom. Das ist ein gutartiger Tumor, der oft keine Beschwerden verursacht. Martin Heubner, Chefarzt der Gynäkologie am KSB, erklärt, wann ein Myom behandelt werden muss und welche Therapieoptionen es neben einer Gebärmutterentfernung noch gibt.

Herr Heubner, was genau ist ein Myom?

Das ist ein gutartiger Tumor, der sich in der muskulären Wand der Gebärmutter entwickelt. Sein Wachstum ist hormonabhängig. Daher entstehen Myome nur während der Geschlechtsreife, meist bei Frauen zwischen 30 und 50 Jahren. Kinder oder Frauen nach den Wechseljahren sind in der Regel nicht betroffen. Ein Myom kommt selten allein – meist finden sich in der Gebärmutter mehrere nebeneinander.

Weshalb haben so viele Frauen ein Myom?

Warum sie entstehen, ist nicht genau bekannt. Die familiäre Veranlagung spielt sicher eine Rolle. So erzählen mir viele Patientinnen, dass bei ihrer Mutter bereits welche entdeckt wurden. Bis zum Eintritt der Wechseljahre erhöht sich die Wahrscheinlichkeit dafür. Nach der Menopause beobachtet man häufig ein Schrumpfen des Tumors. Wird er jedoch nach den Wechseljahren grösser, ist Vorsicht geboten. Dies könnte auf eine bösartige Veränderung hindeuten.

«Schränken die Beschwerden die Lebensqualität der Patientin ein, empfehlen wir eine Behandlung.»
Martin Heubner

Bemerken die betroffenen Frauen selbst, dass sie ein Myom haben?

Nein, viele Diagnosen sind Zufallsbefunde. Beispielsweise, wenn der Arzt aufgrund einer anderen Indikation den Bauch der Patientin mit einem Ultraschallgerät untersucht. Auf dem Ultraschallbild kann er allfällige Myome entdecken. Verursachen sie keine Symptome, ist vorerst auch keine Behandlung nötig.

Welche Symptome bringt ein Myom mit sich?

Je nach Stelle und nach Grösse treten verschiedene Beschwerden auf. Das können beispielsweise Unterbauchschmerzen sein oder ein verstärkter Harndrang, weil der Tumor auf die Blase drückt. Drückt er auf den Darm, können Verstopfungen die Folge sein. Weiter kann er je nach Lage auch die Fruchtbarkeit beeinträchtigen. Oft treten sehr starke Menstruationsblutungen auf, die bis zur Blutarmut führen können. Das verringert die Lebensqualität der Frau und macht oft Eiseninfusionen nötig. Generell gilt: Schränken die Beschwerden die Lebensqualität der Patientin ein, empfehlen wir eine Behandlung.

Welche Behandlungsmöglichkeiten bieten Sie den Frauen an?

Myome kann man medikamentös oder operativ behandeln. Wir entscheiden individuell, welche Behandlung am erfolgsversprechendsten ist und den Bedürfnissen der Patientin entspricht. Dabei hilft manchmal auch eine MRI. Damit erhalten wir mehr Informationen über die Anzahl und Lage der Myome als bei einem Ultraschall. Wichtig ist auch, ob die Patientin noch einen Kinderwunsch hat. Dann schöpfen wir zuerst die anderen Behandlungsmöglichkeiten aus, bevor eine Entfernung der Gebärmutter in Frage kommt.

Welche können das sein?

Eine medikamentöse Therapie kann das Myom verkleinern und so die Symptome lindern. Sie ist aber zeitlich begrenzt und dient oft lediglich dazu, einen Eingriff hinauszuzögern. Bei manchen Patientinnen ist die Embolisation der Gebärmutter eine Option. Bei diesem nichtoperativen Eingriff führt ein interventioneller Radiologe einen Katheter in die Gebärmutterarterie ein. Er spritzt feine, runde Plastikpartikel in jene Arterienäste, die das Myom mit Blut versorgen. Dadurch wird es von der Versorgung abgeschnitten und schrumpft. Ansonsten sind operative Eingriffe vielversprechende Behandlungsoptionen.

«Eine Hysterektomie kann ein schonenderer und kleinerer Eingriff sein als die Entfernung vieler einzelner Myome.»
Martin Heubner

30 Prozent aller Gebärmutterentfernungen werden aufgrund von Myomen vorgenommen. Ist das die einzige operative Behandlungsmöglichkeit?

Nein, eine Gebärmutterentfernung, die sogenannte Hysterektomie, ist nicht zwingend. Es ist möglich, einzelne Tumoren in einer minimalinvasiven Operation zu entfernen. Die Myomentfernung kann je nach Befund eine komplexe Operation sein. Am KSB haben wir sehr viel Erfahrung damit. Wir entfernen regelmässig auch sehr grosse Tumore mit der minimalinvasiven Technik. Ist die Familienplanung der Patientin abgeschlossen, ist eine Hysterektomie häufig eine gute Option. Insbesondere die Blutungsproblematik lässt sich damit sehr zuverlässig und endgültig lösen. Auch eine Hysterektomie können wir minimalinvasiv durchführen. Es mag sich paradox anhören, aber diese Operation kann sogar schonender und kleiner sein als die Entfernung vieler einzelner Myome. Denn jedes hinterlässt eine Wunde in der Gebärmutterwand, die wir einzeln versorgen müssen. Für Patientinnen ohne Kinderwunsch gibt es zudem eine neue, innovative Behandlungsmethode – die Radiofrequenzablation mit dem sogenannten Sonata-System.

 

Was passiert dabei?

Über die Scheide führt der Chirurg eine Sonde in die Gebärmutterhöhle ein. Aus dieser Sonde werden dann Nadelelektroden in das Myom eingebracht. Über Elektroden wird Strom appliziert, der zu einer Hitzeentwicklung im Myom führt. Die erhöhte Temperatur lässt das Myomgewebe absterben. Dieser Eingriff lindert beispielsweise Symptome wie die starken Menstruationsblutungen. Zudem schrumpft das Myom infolge des abgestorbenen Gewebes. Der Charme dieser Methode besteht darin, dass wir einen natürlichen Weg – den Gebärmutterhalskanal – als Zugang benutzen. Dadurch entstehen keine Narben, praktisch keine Schmerzen und auch keine grösseren Wunden in der Gebärmutterwand. Die Radiofrequenzablation kommt in Frage, wenn die Patientin eine begrenzte Anzahl Tumore hat. Diese müssen zudem gut von der Gebärmutterhöhle aus erreicht werden können. Für Frauen, die noch Kinder haben möchten, liegen aktuell noch wenige Daten zur Anwendung des Verfahrens vor. Mittlerweile gibt es aber einige Berichte von Patientinnen, die nach einer Radiofrequenzablation problemlose Schwangerschaften hatten.

Abklärung in der gynäkologischen Sprechstunde

Haben Sie aus bisher ungeklärten Gründen sehr starke Menstruationsblutungen oder Unterbauchschmerzen? Lassen Sie diese in der gynäkologischen Sprechstunde von den KSB-Fachärzten abklären.

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