Ultraschallbild eines Babys.

Pränataldiagnostik, ihre Möglichkeiten und ihre Grenzen

Genetische Defekte und Fehlbildungen lassen sich immer früher erkennen. Aber sie stellen werdende Eltern auch vor schwierige Entscheide. Leonhard Schäffer, Chefarzt für Geburtshilfe und Pränataldiagnostik, sagt, wann welche Untersuchungen sinnvoll sind.

Erwarten Sie ein Kind? Herzliche Gratulation – wir hoffen, dass alles gut kommt. Gewöhnlich gibt es ja auch keinen Grund zur Sorge. «Die meisten Kinder kommen gesund zur Welt», sagt Leonhard Schäffer, Chefarzt für Geburtshilfe und Pränataldiagnostik am KSB. Nur: Was ist, wenn die Pränataldiagnostik zeigt, dass mit Ihrem Kind etwas nicht stimmt? Und Sie unverhofft vor der Frage stehen: Wie weiter?

Erst die Beratung, dann die Pränataldiagnostik

Das sind schreckliche Momente. Damit es nicht so weit kommt, berät der Pränataldiagnostik-Spezialist werdende Mütter früh: meist in der achten oder neunten Schwangerschaftswoche (SSW) oder spätestens vor der ersten vorgeburtlichen Untersuchung in der zwölften SSW. Dabei geht es um folgende Fragen:

  • Wie viel Diagnostik wollen die Eltern?
  • Was möchten sie über ihr ungeborenes Kind wissen?
  • Wie sicher möchten sie sein, dass das Baby bestimmte Erkrankungen nicht hat?
  • Welche Konsequenzen würden sie ziehen, wenn ihr Kind krank ist?
  • Käme im schlimmsten Fall ein Schwangerschaftsabbruch in Frage?

Klar, mit solchen Fragen wollen Sie sich als werdende Eltern nicht beschäftigen. Aber je früher Sie es tun, desto besser. So haben Sie Zeit, verschiedene Szenarien durchzudenken und eine Haltung zu ethisch schwierigen Fragen zu finden. Dabei unterstützen wir Sie: Lesen Sie, wann welche pränatale Untersuchung fällig ist, wie aussagekräftig das Resultat ist und welche Optionen Sie bei schlechten Nachrichten haben.

SSW 12: Ultraschall als Standard

In der zwölften Schwangerschaftswoche (SSW) untersucht der Gynäkologe den Fötus üblicherweise per Ultraschall. Wie viel Sie über Ihr Kind erfahren möchten, entscheiden Sie. «Es gibt ein Recht auf Nichtwissen», erklärt Leonhard Schäffer. Sie können theoretisch auf den Ultraschall ganz verzichten. Oder Sie lassen lediglich die empfohlenen Minimaluntersuchungen machen, um mögliche Risiken für die Mutter und das Kind während der Schwangerschaft abzuschätzen:

  • Ist die Schwangerschaft intakt?
  • Ist das Schwangerschaftsalter richtig berechnet?
  • Liegt die Plazenta am richtigen Ort?
  • Handelt es sich um einen Einling oder Mehrlinge (z.B. Zwillinge)?
«Alle Krankheiten können wir nie ausschliessen.»
Leonhard Schäffer, Chefarzt für Geburtshilfe und Pränataldiagnostik

Mit Bluttest und Nackenfaltenmessung auf der Suche nach dem Down-Syndrom und weiteren Chromosomenstörungen

Sie können aber auch mit diversen Tests erfahren, ob bei Ihrem Baby eine Chromosomenstörung oder eine Fehlbildung vorliegen. Das Spektrum der Pränataldiagnostik ist gross. Punkt 1 besitzt die geringste, Punkt 4 die höchste Aussagekraft:

  1. Ultraschall plus Nackenfaltenmessung:Dabei sucht der Arzt nach gröberen Fehlbildungen und Hinweisen auf genetische Defekte. Auf Wunsch misst er die Nackenfalte. Ist sie verdickt, kann dies auf genetische Defekte wie Trisomie 21 hinweisen, aber auch auf Herzfehler.
  2. Ersttrimestertest: Zum Ultraschall und zur Nackenfaltenmessung kommt eine Blutentnahme bei der Mutter hinzu. Daraus berechnet man das Risiko für die häufigsten Trisomien: 21, 13 und 18. Die Wahrscheinlichkeit, dass der Fötus eine Trisomie, also ein überzähliges Chromosom, hat, liegt dann beispielsweise bei 1:1000. Dies ist aber noch keine Diagnose, sondern eine Wahrscheinlichkeit. Sie besagt, dass bei 1000 Schwangeren mit diesem Testresultat ein Fall von Trisomie 21 vorliegen wird. Die Erkennungsrate liegt bei 80 bis 90 Prozent. Das bedeutet, der Test erkennt 8 bis 9 von 10 Kindern mit Trisomie und verpasst 1 bis 2 Fälle.
  3. Nicht-invasiver pränataler Test (NIPT): Im Blut der Mutter schwimmen Teile des kindlichen Erbguts. Bei diesem Bluttest gewinnt das Labor aus einer Blutprobe der Mutter Erkenntnisse über mögliche Trisomien beim Kind. Auch dieser Test gibt noch keine Diagnose ab. Er ist aber deutlich genauer als der Ersttrimestertest. Die Erkennungsrate ist mit 99 Prozent sehr hoch. Die Krankenkasse übernimmt die Kosten dieses Tests, wenn das Risiko im Ersttrimestertest grösser als 1:1000 ist.
  4. Invasive Tests: Dazu gehören die Fruchtwasserpunktion und die Chorionzottenbiopsie, auch Plazentabiopsie genannt. Die Ärzte gewinnen dabei kindliche Zellen aus dem Fruchtwasser oder den Plazentazellen. Diese diagnostischen Verfahren besitzen eine Aussagekraft von nahezu 100 Prozent bei der Suche nach einer konkreten genetischen Erkrankung. Es besteht jedoch ein Risiko für eine Fehlgeburt von etwa 0,2 Prozent. Die Krankenkasse übernimmt die Kosten, wenn entsprechende Risikobedingungen vorliegen.

Erbkrankheiten testen? Möglich, aber aufwendig

Ist mein Kind gesund, wenn die obigen Tests unauffällig sind? Dafür gibt es keine Garantie, erklärt Leonhard Schäffer: «Die Natur lässt sich nicht immer in die Karten schauen. Alle Krankheiten können wir nie ausschliessen.» Insbesondere die Trisomie 21 sei zwar die häufigste genetische Erkrankung, fügt er an. Aber auch nur eine von vielen. Und die seien in der Summe viel häufiger als das Down-Syndrom. Dieses kann mit einer guten Lebensqualität einhergehen. Andere genetische Erkrankungen haben dagegen oft schwerwiegendere Auswirkungen. Deshalb empfiehlt Schäffer, sich bei der Suche nach genetischen Erkrankungen nicht auf die Trisomie 21 zu beschränken.

Allerdings kann man viele genetische Erkrankungen nicht so einfach testen – weder mit einem Ultraschall noch mit einem Bluttest. Es sind aufwendige Spezialanalysen erforderlich. «Man findet die Erkrankungen häufig nur, wenn man konkret danach sucht», sagt Schäffer. Er nennt als Beispiele die zystische Fibrose oder die Muskeldystrophie, die nur männliche Nachkommen betrifft. Diese nennt man rezessiv vererbte Erkrankungen. Um sie zu entdecken, muss ein Fall in der Familie bekannt sein. Ist beispielsweise bei der Muskeldystrophie die gesunde Mutter Trägerin der Krankheit und ihr Baby männlich, kann mit einer Punktion getestet werden. Ist das Resultat auffällig, stellt sich die Frage, ob Mütter ihr Kind behalten wollen: Muskeldystrophie ist eine schwere Krankheit. Ob die Eltern Träger eines kranken Gens sind, können sie bereits vor einer Schwangerschaft prüfen: Eine Reihe häufiger rezessiv vererbter Erkrankungen lassen sich bei gesunden Personen testen.

SSW 20: Mittels Pränataldiagnostik Herzfehler entdecken

In der SSW 20 angekommen? Bravo, Halbzeit! Jetzt steht die zweite Ultraschalluntersuchung an. Auch diesmal sucht Ihr Gynäkologe nach fehlgebildeten Organen. Diese haben sich seit dem Ultraschall in SSW 12 stark entwickelt. Deshalb sind jetzt genauere Aussagen möglich, etwa zu Herzfehlern. «Sie vor der Geburt zu entdecken, ist in einigen Fällen sehr wichtig», sagt Leonhard Schäffer. So können Sie und Ihr Arzt den optimalen Geburtsort bestimmen: Manche Babys sind auf ein Spital mit einer Neonatologie angewiesen, also einer Abteilung für Frühchen und kranke Neugeborene. Dank frühzeitiger ärztlicher Beratung können Sie zudem besser einschätzen, was nach der Geburt auf Sie zukommt.

Und wieso operiert Leonhard Schäffer den Herzfehler nicht schon im Mutterbauch? «Einige wenige Fehlbildungen kann man heute innerhalb der Gebärmutter behandeln.» Neben bestimmten Herzfehlern sind dies etwa ein offener Rücken (Spina bifida) oder eine Zwerchfellhernie. Dies sei allerdings nur sinnvoll, wenn bestimmte Kriterien erfüllt seien, so Schäffer. Standard sei dies daher noch längst nicht.

Pränataldiagnostik am KSB

Schwanger? Sorgen Sie früh für eine optimale medizinische Betreuung Ihres Kindes. Am KSB beraten wir Sie umfassend und nehmen uns Zeit für Ihre Fragen.

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