Foto der Familie Ljubisaljevic.

«Über die Fehlgeburt zu sprechen, hat mir geholfen»

Familie Ljubisaljevic weilte gerade in den Sommerferien, als bei Mutter Melani plötzlich Blutungen einsetzten. In der Frühschwangerschaft grundsätzlich nichts Seltenes. Zehn Wochen später kam wieder Blut – diesmal mit dramatischen Folgen. Melani spricht in unserem Blog über ihre Erfahrungen.

Melani war in der siebten Woche schwanger, als sie im August 2018 mit ihrem Mann Nenad und ihren Kindern Maksim und Lenia einige Ferientage in Serbien verbrachte. Wie schon die vorherigen zwei war auch ihre dritte Schwangerschaft bisher ruhig und ohne Zwischenfälle verlaufen. Obwohl Melani diesmal nicht ganz so unbekümmert war: «Ob’s wohl nochmals klappt, mit 38?»

Erste Blutung in den Sommerferien

Wie aus dem Nichts setzten bei Melani Blutungen ein. Da waren sie wieder, ihre Bedenken und Ängste. Nenad brachte seine Frau umgehend zu einem örtlichen Gynäkologen, der ihr eine Spritze gab, um die akuten Blutungen zu stoppen. Der Arzt mahnte zur Ruhe und riet Melani davon ab, nach den Ferien wieder zu arbeiten. «Ich wollte einfach nur nach Hause», erinnert sich die Fislisbacherin. Mit Sorgen im Gepäck ging’s wenige Tage später zurück in die Schweiz.

In der Heimat angekommen, liess sich Melani bei ihrem Frauenarzt untersuchen. Als Grund für die Blutung wurde ein Hämatom in der Gebärmutter vermutet, sogenannte Nidations- oder Einnistungsblutungen. Sie treten im ersten und zweiten Trimester gelegentlich auf und sind meist auf das Wachstum von Baby und Uterus zurückzuführen. Häufig verschwinden sie von selbst. Da sich bei Melanie keinerlei weitere Beschwerden zeigten, nahm sie ihre Arbeit als Coiffeuse wieder auf.

Blasensprung in der 17. Schwangerschaftswoche

So wuchs der kleine Aleksa – Melani und Nenad hatten bereits einen Namen für ihr Ungeborenes ausgesucht – allmählich heran. Die folgenden Wochen verliefen komplikationslos, wenn auch Melanis ungutes Gefühl anhielt. Es war ein milder Septembermorgen, an dem sich ihre Befürchtungen jäh bewahrheiten sollten. Melani befand sich inzwischen im fünften Monat, als erneut Blutungen einsetzten. Unverzüglich brachte Nenad sie zur Notfallstation des KSB. «Dort angekommen eilte ich zur Toilette, als mich ein Knall in einen lähmenden Schockzustand versetzte», schildert Melani jenes surreale Ereignis, das ihren Kreislauf schlagartig zum Kollabieren brachte. Sie erlitt einen vorzeitigen Blasensprung.

Seine Erfahrung mit anderen Betroffenen teilen

Über manche Erfahrungen spricht es sich nicht so leicht. Etwa darüber, dass man sein Kind verloren hat. Eine Fehlgeburt muss jedoch kein Tabuthema sein. Die Kontaktplattform des Vereins Stärnechind bietet eun Forum für den Austausch mit anderen betroffenen Eltern.

Durch den Riss in der Fruchtblase verlor Melani einen Grossteil der sogenannten Amnionflüssigkeit. Sie versorgt den Embryo mit Nährstoffen. Das auslaufende Fruchtwasser führte dazu, dass der Fötus immer tiefer in den Gebärmutterhals rutschte. «Ich hatte riesige Angst, mein Kind zu verlieren», erzählt Melani und fügt nach kurzem Innehalten hinzu: «Dabei habe ich seine Bewegungen die ganze Zeit gespürt!»

Für die Lungenreife war es noch zu früh

Ab der 24. Schwangerschaftswoche ist es möglich, bestimmte Medikamente zu verabreichen, um eine vorgeburtliche Lungenreife einzuleiten. Sonst kann das Kind aufgrund mangelnder Lungenfunktion nicht atmen oder nicht gut beatmet werden. Bei Aleksa war es dafür leider noch zu früh. Sein Fuss ragte schon weit in den Gebärmutterkanal hinein. Deshalb sei das längerfristige Aufrechterhalten der Schwangerschaft nicht mehr möglich, erklärten die Ärzte der besorgten Mutter. Auch steigt für die Frau das Risiko einer aufsteigenden Infektion bei offener Fruchtblase. Die Entscheidung treffen zu müssen, ein Kind mit geringen Überlebenschancen zu gebären, brachte Melani beinahe um den Verstand. Sie wollte eine Nacht darüber schlafen.

Am nächsten Tag war sie dazu bereit, die stille Geburt ihres Kindes einzuleiten. Nenad stand ihr die ganze Zeit bei. Gleichwohl war der psychische Stress kaum auszuhalten. «Zuerst wollte ich den Buben gar nicht sehen», erzählt Melani mit zittriger Stimme. Durch das feinfühlige Zureden der Hebamme entschied sie sich schliesslich dennoch, den kleinen Aleksa zu sehen. «Er war herzig eingekleidet und sah ganz friedlich aus.»

«Darüber zu sprechen, hat mir geholfen»

Mit der Verarbeitung des Verlustes stand Melani die schwierigste Zeit erst noch bevor. «Es war schon brutal, wenn mich etwa Bekannte auf der Strasse fragten, wo denn mein Kinderwagen sei.» Der offene Austausch mit der Familie und den engsten Freundinnen, die Hebammen und Ärzte am KSB, der Verein Stärnechind wie auch lange Spaziergänge in der Natur haben ihr viel Kraft gegeben. «Ende Oktober habe ich dann wieder angefangen zu arbeiten, was etwas Normalität in mein Leben zurückbrachte», sagt Melani.

Knapp zwei Jahre später, im Juli 2020, brachte Melani im KSB bei einer Wassergeburt ein gesundes Kind, den kleinen Tadija, zur Welt. «Es war eine riesige Erleichterung, nach alledem, was wir als Familie durchgemacht haben», sagt die stolze Mutter und lässt ihren Blick nach oben schweifen: «Unser Sternchen wird für immer in unseren Herzen bleiben.»

Wieder schwanger nach Fehlgeburt

Neben der psychischen Belastung stellt eine Fehlgeburt Betroffene auch vor viele Fragen: Wann kann ich wieder versuchen, schwanger zu werden? Gibt es ein erhöhtes Risiko für eine zweite Fehlgeburt? Muss ich Abklärungen vornehmen lassen? KSB-Gynäkologin Anett Hernadi hat die Antworten.

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