Proktologe Andreas Keerl

Proktologie: Am A… vorbei ist auch kein Weg

Der Viszeralchirurg und spezialisierte Koloproktologe Andreas Keerl spricht im Interview über Objekte, die er aus dem Po entfernen musste, den Ablauf einer proktologischen Untersuchung und erläutert, warum das Smartphone auf dem WC nichts zu suchen hat.

Der Po hat nicht das beste Image. Was motiviert Sie als Proktologe, sich mit der Analregion auseinanderzusetzen?

Viele Menschen leiden unter Problemen der Analregion, ohne einen passenden Ansprechpartner zu finden. Auch die Vielfältigkeit der Erkrankungen innerhalb dieses «kleinen» Gebietes macht es spannend, weil um den Analkanal herum verschiedenste Erkrankungen auftreten können: zum Beispiel schmerzhafte, symptomatische Hämorrhoiden, Darmkrebs,  Fisteln, Abszesse und viele mehr. Zudem sehe ich als Proktologe eine grosse Bandbreite an Patienten und spannenden Menschen. Denn von Beschwerden im Analkanal können Jugendliche wie auch ältere Personen, Männer und Frauen betroffen sein. Nicht zuletzt freut mich die Dankbarkeit der Patienten. Diese sind oft sehr froh, dass sie ihre Beschwerden endlich vertrauensvoll besprechen und meistens auch behandeln lassen können.

Die Analregion ist häufig schambesetzt. Wann sollte man über seinen Schatten springen und einen Proktologen aufsuchen?

Vor allem bei wiederkehrendem Blut im Stuhl oder Blutungen. Aber auch bei Stuhlunregelmässigkeiten sollte man zum Arzt oder zur Ärztin. Dies gilt zum Beispiel beim Wechsel von Verstopfung und Durchfall über einen längeren Zeitraum. Auch Schmerzen sowie anhaltendes Jucken und Brennen sind Gründe für einen Arztbesuch. Ein weiteres grosses Thema ist die Inkontinenz, also unwillkürlicher Stuhl- oder Flüssigkeitsverlust. In diesem Fall empfehle ich, sich frühzeitig beim Arzt des Vertrauens vorzustellen. Unabhängig von den Symptomen rate ich allen Menschen ab 50 zur Darmkrebsvorsorge. Denn eine Darmspiegelung kann Krebs, die damit einhergehenden Symptome und den Leidensweg verhindern.

Was ist Proktologie?

Unter Proktologie wird die Lehre von Krankheiten des End- bzw. Mastdarms (Rektum) und des Afters (Anus) verstanden. Der Mastdarm ist etwa 16 Zentimeter lang. Er ist der letzte Abschnitt des Dickdarms und endet am After. Der Analkanal bezeichnet die untersten 4 Zentimeter des Mastdarms, wo sich der Übergang von der Haut in die Schleimhaut des Darms befindet. Ein Koloproktologe befasst sich zusätzlich mit den Erkrankungen des gesamten Dickdarms (Kolon).

Darmkrebsvorsorge bedeutet Darmspiegelung? Oder genügt es, einen Stuhltest durchzuführen?

Den Stuhltest können Sie selbst durchführen. Dabei wird untersucht, ob sich nicht sichtbares Blut im Stuhl befindet. Dies kann Hinweise geben, hat jedoch auch einige Fehlquellen. Viel genauer ist jedoch die Darmspiegelung. Sollten die Ärzte während der Untersuchung auffällige Polypen entdecken, können diese gleich entfernt werden. Nach einer unauffälligen Darmspiegelung braucht man erst in sieben bis zehn Jahren wieder eine Untersuchung.

Gehen Sie selbst auch zur Darmkrebsvorsorge?

Selbstverständlich gehe ich ebenfalls zur Darmkrebsvorsorge. Denn wenn Sie Patienten mit Darmkrebs behandeln, die einen Grossteil des Lebens noch vor sich haben, gehen einem diese Schicksale sehr nahe. Wird Darmkrebs jedoch früh erkannt, ist er in vielen Fällen gut heilbar. Deshalb sollten wir unserer Darmgesundheit mehr Aufmerksamkeit schenken.

Stattdessen wird das Hinterteil oft als Schimpfwort missbraucht. Warum?

Der Po ist mit eine der intimsten Regionen des Körpers. Er ist zwar kein Geschlechtsorgan, aber er ist unsere «Kanalisation», und wird damit immer mit etwas Schmutzigem und Ekligem assoziiert.

Apropos ekelig: Treten bei proktologischen Untersuchungen auch Winde aus?

Natürlich kann bei einer Untersuchung auch ein Pups entweichen. Das ist durchaus normal.

Eine unangenehme Situation für Proktologe und Patient?

Wenn ich einen einfühlsamen und vertrauensvollen Umgang mit den Patienten finde, ist es meist kein Problem. Deshalb spreche ich selbstverständlich während der Untersuchung mit den Patienten. Ich teile ihnen zum Beispiel mit, wenn ich meinen Finger einführe. Dann frage ich nach: Spüren Sie den Finger an der Haut? Tut es Ihnen weh?

Wie läuft eine Untersuchung beim Proktologen ab?

An erster Stelle steht die Anamnese, also ein Gespräch mit dem Patienten oder der Patienten über ihre Beschwerden. Auch die medizinische Vorgeschichte ist ein Thema, ebenso das Sexualleben und Sexualpraktiken. Weiter frage ich, welche Medikamente sie einnehmen und kläre weitere Aspekte, die für die Diagnosestellung wichtig sein können.

Geht es danach auf den Untersuchungsstuhl?

Auf die Anamnese folgt die körperliche Untersuchung sowie eine fokussierte Untersuchung der Analregion. Hierfür genügt es jedoch meistens, wenn der Patient sich seitlich auf die Untersuchungsliege legt. Nur bei speziellen Untersuchungen ist es für mich hilfreich, wenn der Patient oder die Patientin auf dem Untersuchungsstuhl sitzt. Natürlich gibt es angenehmere Untersuchungen als die des Afters. Schmerzen sollte sie aber nicht. In dem Fall sollten die Patienten sich trauen, dies zu äussern, und der Arzt die Untersuchung gegebenenfalls abbrechen.

Führen Sie bei Beschwerden im Analbereich stets eine Enddarmspiegelung durch?

Die Enddarmspiegelung gehört bei Schmerzen, Juckreiz oder Blut im Stuhl in der Regel dazu. Bei der Enddarmspiegelung führt der Proktologe das Protoskop in den Enddarm ein. Das ist ein circa 1.5 Zentimeter dickes Plastikröhrchen mit einer Lichtquelle. Eine Enddarmspiegelung kann zwar unangenehm sein, sie sollte jedoch nicht schmerzen. Auf Wunsch kann die Untersuchung in kurzer Teilnarkose durchgeführt werden.

Müssen Sie auch Dinge aus der Analregion entfernen, die dort nicht hingehören?

Diese Patienten kommen meist über den Notfall. Häufig rutschen die Gegenstände auch weiter nach oben in den Dickdarm und müssen dann von den Gastroenterologen entfernt werden. Aber ja, ich habe schon so gut wie alles, was man sich vorstellen kann und auch nicht vorstellen möchte, aus dem Analkanal entfernen müssen. Übrigens steigt neben der Gefahr von akuten Verletzungen mit einer Überdehnung des Schliessmuskels langfristig auch das Risiko einer Stuhlinkontinenz. Also sollte man beim Einführen von zu grossen Objekten vorsichtig sein und dies nicht zu häufig praktizieren.

Proktologie am KSB

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