Illustration einer Zecke

Zeckenstiche lösen bei Kindern nur selten Krankheiten aus

Zeckenstiche, umgangssprachlich irrtümlich auch Zeckenbisse, werden oft in einem Atemzug mit Borreliose oder FSME genannt. Falsch ist das nicht, ganz richtig aber auch nicht. Dörthe Harms, Leitende Ärztin Kinder- und Jugendmedizin, klärt auf.

Kinder sind Zeckenstichen besonders ausgesetzt. Draussen beim Fangen oder Versteckenspielen streifen sie die Blutsauger von hohen Gräsern oder Büschen ab. Die kleinen Tiere krabbeln dann auf dem Körper herum, bis sie eine passende Stelle finden und zustechen.

Zeckenbiss oder Zeckenstich?

Umgangssprachlich spricht man zwar fast immer von einem Zeckenbiss. Eigentlich ist es aber ein Stich. Denn Zecken stecken ihren Saugapparat auf der Suche nach Nahrung in die Haut, sie beissen nicht.

Viele Eltern haben Angst, ihr Kind infiziere sich dadurch mit FSME oder Borreliose. Aber: «Nicht jede Zecke ist mit Borrelien oder FSME-Viren infiziert. Und nicht jede infizierte Zecke gibt diese Infektion weiter», erklärt Dörthe Harms, Leitende Ärztin Kinder- und Jugendmedizin am KSB. Trotzdem gilt es im Umgang mit Zeckenstichen einiges zu beachten.

Borreliose-Gefahr erhöht sich durch falsches Entfernen

Ruhe zu bewahren, sei das Wichtigste, wenn man einen Zeckenstich entdecke. «Man sollte die Zecke innerhalb von zwölf Stunden entfernen», erklärt die Notfallmedizinerin. Es bleibt also etwas Zeit dafür. Denn falls die Zecke mit Borrelien infiziert ist, übertragen sich die Bakterien langsam. Der Grund: Sie befinden sich im Darm der Zecke. «Bis sie über das Verdauungssystem des Blutsaugers in den menschlichen Körper gelangen, dauert es einige Stunden», sagt Dörthe Harms.

Ungeschicktes Entfernen hingegen erhöht sogar die Gefahr, dass sich die Erreger übertragen. Dörthe Harms erklärt: «Wenn man die Zecke auf Biegen oder Brechen rausziehen will und dabei zum Beispiel mit den Fingern den Körper der Zecke quetscht, kann es passieren, dass man den Darminhalt des Tieres ausdrückt und so die Übertragung begünstigt. Deshalb empfehle ich, Zecken mit einer spitzen Pinzette zu entfernen. Damit sollte man die Zecke direkt über der Haut am Kopf packen, gut zudrücken und langsam rausziehen, ohne Drehung.» Kopfreste dürfen in der Haut bleiben. Mit der natürlichen Hauterneuerung werden die Reste vom Körper selbständig abgestossen. Ganz falsch sei es, die Zecke vor dem Entfernen zum Beispiel mit Öl oder Nagellack zu töten. «Dieser Mythos hält sich hartnäckig. Aber das Töten führt dazu, dass die Zecke erbricht und so die Erreger in den Körper des Gestochenen übertragen werden.»

Wanderröte ist kein zwingendes Symptom

Ein frühes Symptom einer Infektion mit Borrelien ist die sogenannte Wanderröte. Dabei kommt es bis zu dreissig Tage nach dem Stich zu einer ringförmigen Rötung. Diese tritt meistens in der Nähe der Einstichstelle auf und wächst langsam. Im Durchmesser ist sie mindestens vier Zentimeter gross. Aber: Eine Borrelieninfektion kann auch ohne diesen charakteristischen roten Kreis auftreten. Oder dieser bildet sich an einer anderen Stelle. «Eine Wanderröte wird deshalb schnell übersehen oder nicht richtig gedeutet», sagt Dörthe Harms. Falls sich aber ein kreisrunder Fleck zeigt, sollte man zum Kinderarzt. «Die Wanderröte ist eine Blickdiagnose. Anschliessend verschreiben wir Antibiotikum. Eine Blutentnahme zur Bestätigung der Infektion ist nicht sinnvoll, weil wir in diesem frühen Stadium noch keine Veränderungen im Blut finden», erklärt Dörthe Harms.

Wenn die Wanderröte nicht auftritt oder übersehen wird, kann es Wochen bis Monate nach einem Zeckenstich zu anderen Symptomen wie Nervenlähmungen im Gesicht, Müdigkeit oder Nervenschmerzen kommen. Auch dann sollten Eltern mit ihren Kindern einen Arzt aufsuchen. «Mit Antibiotika können wir auch spätere Stadien einer Borrelieninfektion in der Regel gut therapieren», sagt Dörthe Harms.

FSME ist bei Kindern oft wie eine Grippe

Anders als die Borreliose ist die Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) eine virale Infektion. Sie kann eine Entzündung der Hirnhaut und des Gehirns auslösen. Die Viren befinden sich in den Speicheldrüsen der Zecke. Deshalb übertragen sie sich viel schneller als die Borrelien. «Sobald die Zecke zusticht, überträgt sie die Viren», sagt Dörthe Harms. Hektik sei aber fehl am Platz. Denn das Risiko steige nicht, wenn die Zecke noch länger in der Haut feststecke.

Eine Infektion mit den Viren äussert sich bei den meisten Kleinkindern mit Grippesymptomen und einem milden Verlauf. Deshalb empfiehlt das BAG im Schweizer Impfplan die Impfung erst ab sechs Jahren. Dann sei eine Impfung aber sinnvoll, meint Dörthe Harms: «Denn wenn die Kinder älter werden, nehmen die schweren Verläufe zu.» Bei Kleinkindern, die viel im Wald oder auf Wiesen spielten, sei eine Impfung schon vor dem sechsten Geburtstag denkbar.

Kinder richtig nach Zecken absuchen

Eltern sollten ihre Kinder aber nicht von Wiesen und Waldrändern fernhalten. «Kinder sollen unbedingt draussen rumtoben!» Es sei aber wichtig, sie danach gut abzusuchen – insbesondere an warmen und feuchten Körperstellen; hinter den Ohren, am Haaransatz, in den Knie- und Ellenbeugen und im Intimbereich. Dabei sind gutes Licht und ein scharfes Auge wichtig, denn die Blutsauger sind schwer zu entdecken, solange sie sich noch nicht vollgesaugt haben. Auch die Kleidung sollte man gut ausschütteln. «Nicht, dass die Zecke dann am nächsten Tag zusticht.»

Notfall für Kinder und Jugendliche

Zeckenstiche gelten generell zwar nicht als Notfall. Für Notfallsituationen von Kindern und Jugendlichen bis 16 Jahre führt das KSB eine eigene Abteilung. Alle Informationen dazu und die wichtigsten Notfallnummern finden Sie auf der Übersicht.

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